Landtagswahl am 21. September 2003

In Bayern droht erstmals in einem deutschen Parlament eine 2/3 Mehrheit






Eine sehr beängstigende (und zutreffende) Recherche von Angela Böhm aus der Münchner Abendzeitung vom 16.09.2003 (Original-Artikeltext):




"König Edi - allein voller Macht"



Die Abendzeitung schaut nach: Was die CSU bei einer Zwei-Drittel Mehrheit alles darf

MÜNCHEN. Nun könnte Edmund Stoiber doch noch in die Geschichtsbücher der Nation eingehen. Nie zuvor hat in der Bundesrepublik eine Partei eine Zwei-Drittel-Mehrheit geholt. Nicht im Bundestag und auch in keinem Landesparlament. Bei der Bayern-Wahl am Sonntag aber haben Stoiber & Co. alle Chancen, diese gewaltige Hürde zu nehmen. Unisono sagen ihm alle Meinungsumfragen die Zwei-Drittel-Mehrheit voraus. Edmund, der neue Bayern-Kini! Er und seine CSU stehen vor einer bisher ungekannten Machtfülle - auch wenn sie das abstreiten.

Die Abendzeitung schaut in die Geschäftsordnung des bayerischen Landtags und in die Bayerische Verfassung. Das Ergebnis: Im Landtag könnte die CSU alleine herrschen. Tun und lassen, was sie will. Zum Beispiel: Abgeordnete, die dazwischenrufen, bis zu zehn Tage des Landtags verweisen. Die Öffentlichkeit und damit alle Bürger aus den Plenar- und Ausschusssitzungen ausschließen. Untersuchungsausschüsse nur noch hinter verschlossenen Türen abhalten.


Die Opposition könnte ihre schärfsten Waffen verlieren

Sie könnte Ausschussvorsitzende und ihre Vizes nach Lust und Laune abberufen. Statt geheime Wahlen im Parlament künftig offen abstimmen lassen. Und die Opposition ihrer stärksten Waffe berauben: Die kann nach Artikel 64 der Geschäftsordnung zu den Sitzungen Dringlichkeitsanträge einreichen - was sie auch fleißig tut. Über die Anträge muss sofort diskutiert und entschieden werden. Mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit könnte die CSU die Dringlichkeitsanträge künftig bis auf den St. Nimmerleinstag vertagen.

Auch mit den Interpellationen wäre es vorbei: Fraktionen oder 20 Abgeordnete dürfen nach Artikel 69 der Geschäftsordnung "große öffentliche Anfragen an die Staatsregierung über besonders wichtige Angelegenheiten einbringen". Mit einer Zwei-Drittel Mehrheit könnte die CSU jede Interpellation zurückweisen.


Bald könnten CSU-Abgeordnete über sich selbst abstimmen

Stoibers Abgeordnete dürften den Landtag sogar zur Selbstbedienungs-Oase machen. Bisher ist ein Volksvertreter von jeder Abstimmung ausgeschlossen, die sich um Angelegenheiten dreht, die ihn unmittelbar selbst betreffen. Eine Zwei-Drittel-Mehrheit könnte ihn zulassen.

Nach der bayerischen Verfassung hätte die CSU mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit die Macht, den Obersten bayerischen Rechnungshüter, den Rechnungshofpräsidenten, zu entlassen. Ebenso kann sie den Landesbeauftragten für Datenschutz abberufen, der kontrollieren soll, dass öffentliche Stellen den Datenschutz einhalten. Im Alleingang könnte sie etwaige Anklagen gegen ihre Staatsminister und Abgeordnete durch den Landtag verhindern.

Auch die Änderung der Bayerischen Verfassung wäre für die CSU alleine möglich. Da allerdings hat das Volk das letzte Wort - per Volksentscheid muss es jede Verfassungsänderung absegnen.

Die Opposition schlägt seit Wochen Alarm: Die Demokratie in Bayern sei gefährdet. Der Wahlkampf-Spruch der SPD, die gerade bei 20 Prozent liegt "Macht braucht Kontrolle". Damit versucht sie, ihr Ergebnis doch noch aufzubessern und die Super-CSU-Mehrheit zu verhindern.

Stoiber ist nervös geworden und stapelt tief: Sein Wahlziel sei 50 plus X. Vorsichtshalber hat die CSU allen Wahlkämpfern ein "Argumentationspapier" geschickt. Darin wird erklärt, dass eine Zwei-Drittel-Mehrheit der CSU eigentlich nichts bringt.







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