Mit Kindern darüber reden ...





Liebe Eltern,

der Beginn des Krieges gegen den Irak und die Bilder von Angriffen auf irakische Städte und Einrichtungen im Fernsehen und in den Zeitungen lösen bei vielen Menschen Ängste und Unsicherheit aus. Für Kinder ist es besonders schwierig, diese Bilder zu verarbeiten. Viele Eltern werden in diesen Tagen mit Fragen ihrer Kinder zum Krieg konfrontiert. Sie stellen sich die Frage, wie sie ihren Kindern die Bilder im Fernsehen erklären können, und was sie tun können, um ihren Kindern die Ängste zu nehmen. Wir haben darüber mit dem bekannten Erziehungsberater Dr. Jan-Uwe Rogge gesprochen und seine Antworten auf die am häufigsten gestellten Fragen auf dieser Seite für Sie zusammengestellt. Außerdem nennen wir Ihnen Beratungsangebote weiterer Institutionen.

Ihre



Renate Schmidt








Wie kann ich meinem Kind den Irak-Krieg erklären?
Sollten Eltern warten, bis die Kinder mit Fragen zu ihnen kommen?
Worauf sollten Eltern achten? Was ist aus Ihrer Sicht wichtig?
Was ist für Kinder in dieser Situation wichtig?
Man hört immer wieder, Eltern müssen jetzt mit Kindern reden. Worauf müssen sie dabei achten?
Sie sprechen von altersgemäßen Antworten und Formen der Verarbeitung. Was ist damit gemeint?
Erwachsene haben doch auch Ängste. Sollen Eltern diese verbergen?
Dürfen denn Kinder jetzt Nachrichten sehen?
Wann gehen Kinder wieder zur Tagesordnung über?
Wo finde ich institutionelle Beratung und Hilfe?








Wie kann ich meinem Kind den Irak-Krieg erklären?

Dies ist eine typische Herangehensweise von Erwachsenen. Obgleich sie selber emotional getroffen sind, wollen sie alles mittels Verstand erklären. Doch sind Kinder, je jünger sie sind, vor allem gefühlsmäßig berührt. Kinder sind verunsichert durch den Beginn des Krieges. Hintergründe, langatmige Erklärungen, theoretische Begründungen helfen ihnen nicht. Und auch eine vernünftige Aufklärung, was ein Krieg ist oder warum es dazu kommen konnte, sind mehr für ältere Schulkinder geeignet, zielen mehr auf Jugendliche ab.


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Sollten Eltern warten, bis die Kinder mit ihren Fragen zu ihnen kommen? Oder müssen sie von sich aus auf das Kind zugehen?

Jüngere Kinder sind aufnahmebereiter, wenn man auf die Fragen antwortet, die sie von sich aus stellen. Aber Kinder nehmen sich manchmal Zeit, bis sie fragen. Ein forsch-neugieriges Kind wird schneller fragen, ein in sich gekehrtes Kind versucht zunächst, selber Antworten zu finden. Für Eltern gilt: Halten sie sich zur Verfügung, wenn die Kinder mit ihren Fragen und ihrem Wissensdurst kommen.


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Worauf sollten Eltern achten? Was ist aus Ihrer Sicht wichtig?

Kinder wollen ehrliche, sie wollen offene Antworten, sie brauchen keine Beschwichtigungen nach dem Motto: Dafür bist du noch zu klein oder elterliche Antworten, die die Gefühle der Kinder nicht respektieren: Du brauchst keine Angst zu haben! Bilder, wie die vom Irak-Krieg, lösen bei jüngeren Kindern Trennungsängste aus, sie rufen Gefühle des Alleinseins hervor: Was passiert mit mir, wenn Papa und Mama tot sind? Schulkinder stellen häufiger Bezüge zur eigenen Wirklichkeit her: Was ist, wenn so etwas in meiner Stadt passiert? Oder: Ich habe Angst, daß der Krieg auch zu uns kommt. Berichte, die ältere Kinder in den Medien lesen oder sehen, hinterlassen bei ihnen Gefühle der Ohnmacht, der Hilflosigkeit, des Ausgeliefertseins.


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Was ist für Kinder in dieser Situation wichtig?

Kinder brauchen die Gewißheit und das Gefühl, ernst genommen zu werden. Sie brauchen Halt, Sicherheit und Geborgenheit. Sie brauchen so viel Normalität wie nötig. Kindergeburtstage oder Kinderfeste jetzt mit dem Hinweis auf den Krieg ausfallen zu lassen, trägt zu einer weiteren Verunsicherung bei. Sollte das Kind jetzt schlecht schlafen, nächtliche Alpträume haben, den Weg ins elterliche Bett suchen, um sich dort Nähe zu holen, dann ist das zeitlich begrenzt völlig in Ordnung.


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Man hört immer wieder, Eltern müssen jetzt mit Kindern reden? Worauf müssen sie dabei achten?

Wichtig sind altersgemäße Antworten. Bei jüngeren Kindern ist das Prinzip der Rückfrage besonders geeignet. Kann das auch bei uns passieren, Papa? Was meinst du? Ich glaube schon, Papa. Aber wenn was passiert, bist du bei mir! Der Vater nickt und nimmt seinen Sohn in den Arm. An diesem kleinen Dialog erkennt man: Es geht dem Kind nicht darum, ob der Krieg kommen kann, es geht dem Kind um die Folgen, die sich daraus ergeben. Das Kind will Gewißheit, ob es sich dann auf den Halt der Eltern verlassen kann.


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Sie sprechen von altersgemäßen Antworten und Formen der Verarbeitung. Was ist damit gemeint?

Jüngere Kinder verarbeiten Ängste in ihren Spielen, in ihren Träumen, ältere Kinder suchen das Gespräch mit den Eltern, vor allem aber auch die Unterhaltungen mit gleichaltrigen Freunden. Sie reden aber nicht nur, sie tun auch etwas: Sie stellen Kerzen auf, sie demonstrieren, sie legen Blumen nieder, sie schreiben Briefe und Tagebücher. Solche Aktivitäten sind Versuche, mit Gefühlen der Ohnmacht und Hilflosigkeit umzugehen.


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Erwachsene haben doch auch Ängste. Sollen Eltern diese verbergen?

Eltern sind keine angstfreien, allwissenden Wesen! Das nehmen Kinder ihren Eltern nicht ab. Für Eltern gilt: Ehrlich sein! Unsicherheiten zugeben! Und wenn man etwas nicht erklären kann, dies dem Kind auch mitteilen. Aber Sätze wie Dafür bist du noch zu jung nehmen kindliche Persönlichkeiten mit ihrem Drang, Wirklichkeit zu begreifen, nicht ernst.


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Dürfen denn Kinder jetzt Nachrichten sehen?

Nachrichten über die Weltlage erfährt ein Kind nicht allein über die Fernsehprogramme. Alle Medien sind voll von Nachrichten. Berichte über Katastrophen lösen bei Kindern Trennungsängste, Gefühle des Verlassenwerdens aus. Zwei Dinge sind wichtig: Bei jüngeren Kindern gilt es, bezüglich Nachrichten, die für Erwachsene gemacht sind, klare Grenzen zu setzen. Aber sollten Kinder damit doch konfrontiert werden, dann muß man Kindern Gelegenheit geben, das Gesehene zu verarbeiten.

Sie tun dies über das Spiel oder, wenn sie älter sind, über das Gespräch.

Hinzu kommt ein zweiter Gesichtspunkt: Es gibt Informationssendungen für Heranwachsende wie Logo, die solch dramatische Ereignisse für Kinder vom 8. Lebensjahr an hervorragend aufbereiten.


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Wann gehen Kinder wieder zur Tagesordnung über?

So schnell und so komplikationslos wird das nicht gehen. Beim ersten Golfkrieg konnte man beobachten, wie Elemente des Krieges noch nach vielen Wochen und Monaten in den Spielen und Träumen der Kinder, in ihren Zeichnungen und Gesprächen enthalten waren.

Kinder brauchen Zeit, um ihre Ängste und Unsicherheiten zu verarbeiten. Und wir sollten ihnen diese Zeit auch geben. Halt, Geborgenheit, Normalität sind wichtig. Und letztlich kommt es auch darauf an, den Kindern weltanschauliche Toleranz vorzuleben, ihnen Achtung und Respekt vor den unterschiedlichen Kulturen zu vermitteln. Die Reaktion vieler Kinder auf die Ereignisse am 11. September 2001 macht dabei Mut: Kinder haben - egal welcher Kultur und Religion sie angehören - getrauert. Erwachsene könnten von Kindern lernen, was es heißt, respektvoll und würdevoll miteinander umzugehen.


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Wo finde ich institutionelle Beratung und Hilfe?

Zahlreiche Institutionen bieten Beratung und Hilfe für Eltern und Kinder an. Hier eine kleine Auswahl:

Die Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (BKE) bietet unter www.bke-beratung.de ein Diskussionsforum für Eltern an.

Unter www.kinderschutz-zentren.org/ksz_tip_e1.html erhalten Eltern Hilfe von den Kinderschutz-Zentren.

Unter www.youngavenue.de/info.html können sich Kinder und Jugendliche über die Hintergründe des Irak-Krieges informieren.

Telefonische Beratung bietet das Kinder- und Jugend-Telefon unter der kostenlosen Ruf-Nr. 08 00/1 11 03 33.

Das Elterntelefon berät kostenlos unter 0800/111 0 550.

Die Telefon-Seelsorge der Evangelischen und Katholischen Kirche berät unter den gebührenfreien Rufnummern 08 00/1 11 01 11 und 08 00/1 11 02 22, per E-Mail unter und im Internet unter www.telefonseelsorge.de.


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Informationen zum Autor Dr. Jan-Uwe Rogge

Jahrgang 1947, verheiratet, Vater eines Sohnes, lebt in der Nähe von Hamburg und arbeitet freiberuflich als Familienberater sowie in der Medienforschung. Seit vielen Jahren führt er Seminare in der Elternbildung durch und zählt zu den bekanntesten deutschen Erziehungsberatern. Darüber hinaus ist er Autor erfolgreicher Erziehungsbücher.

Literaturhinweis: Jan-Uwe Rogge - Ängste machen Kinder stark, Reinbek 1999 (Rowohlt-Verlag)

Website des Autors: www.jan-uwe-rogge.de


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